Schemata nach Jeffrey Young und ihr Zusammenhang mit ADHS
Menschen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) erleben ihre Umwelt oft intensiver, reagieren spontaner und kämpfen mit Selbstorganisation und Impulskontrolle. Weniger bekannt ist, dass bestimmte Denkmuster und Grundüberzeugungen, sogenannte „Schemata“, das Leben von Betroffenen zusätzlich beeinflussen können. Diese stammen aus der Schematherapie nach Jeffrey Young, einem psychotherapeutischen Ansatz, der auf der kognitiven Verhaltenstherapie aufbaut.
Ein Blick auf die Schnittstelle zwischen ADHS und maladaptiven Schemata kann helfen zu verstehen, warum Betroffene manche Schwierigkeiten immer wieder erleben und wo Therapie und Selbsthilfe ansetzen können.
Was sind Schemata?
Jeffrey Young beschreibt Schemata als lebensgeschichtlich geprägte Muster aus Erinnerungen, Gefühlen und Überzeugungen, die unser Denken und Handeln tief beeinflussen.
Sie entstehen meist in der Kindheit, oft als Reaktion auf unerfüllte Grundbedürfnisse (z. B. nach Sicherheit, Autonomie oder Anerkennung).
Schemata wirken wie eine „Brille“, durch die wir die Welt interpretieren.
Maladaptive Schemata sind starre, oft negative Muster, die Leid verursachen – etwa das Gefühl „Ich bin nicht gut genug“ oder „Andere verlassen mich immer“.
Typische Schemata bei ADHS
ADHS an sich ist keine Persönlichkeitsstörung, aber durch die ständigen Erfahrungen von Kritik, Überforderung, Chaos oder Scheitern können bestimmte Schemata verstärkt auftreten. Häufig beobachtet man:
Versagen – das Gefühl, den Anforderungen des Lebens grundsätzlich nicht gewachsen zu sein.
Mangel an Selbstkontrolle/Selbstdisziplin – Überzeugung, niemals „ordentlich“ oder „konsequent“ sein zu können.
Unzulänglichkeit/Scham – tiefe Selbstzweifel durch häufige Kritik oder Vergleiche mit neurotypischen Menschen.
Verlassenheit/Instabilität – erlebt, wenn Beziehungen aufgrund von Impulsivität oder Unzuverlässigkeit belastet sind.
Unterwerfung – aus Angst vor Ablehnung werden eigene Bedürfnisse zurückgestellt.
Diese Schemata sind nicht bei allen Menschen mit ADHS gleich stark ausgeprägt; sie entwickeln sich individuell, je nach Umfeld, Familie und persönlichen Erfahrungen.
Warum Schemata bei ADHS so wirksam sind
ADHS bringt Merkmale mit, die Schemata besonders „aktivieren“ können:
Emotionale Intensität: Gefühle schlagen schneller um, Schemata werden leichter ausgelöst.
Impulsivität: Reaktionen auf Schema-Aktivierungen sind schwerer zu kontrollieren.
Selbstwertprobleme: Durch wiederholte Misserfolge verstärken sich negative Grundüberzeugungen.
Exekutive Dysfunktionen: Schwierigkeiten mit Planung und Organisation bestätigen das Schema „Ich bin unfähig“.
So entsteht ein Kreislauf: Das ADHS-Symptom führt zu einem Misserfolg → das Schema wird getriggert → negative Gefühle und Selbstbilder verstärken wiederum die Symptome.
Chancen der Schematherapie bei ADHS
Schematherapie kann Betroffenen helfen, diese Muster zu erkennen und zu verändern. Wichtige Elemente sind:
Bewusstmachen: Verstehen, welche Schemata besonders aktiv sind.
Innere Kind-Arbeit: Gefühle aus der Kindheit würdigen und neue, unterstützende Erfahrungen schaffen.
Limit-Setting: Grenzen gegenüber dysfunktionalem Verhalten setzen.
Förderung gesunder Modi: Neue Strategien entwickeln, die Selbstfürsorge, Struktur und Selbstakzeptanz stärken.
In Kombination mit ADHS-spezifischen Interventionen (z. B. Medikation, Coaching, Verhaltenstherapie) kann Schematherapie helfen, den inneren Teufelskreis aus Selbstkritik und Symptomen zu durchbrechen.
Fazit
ADHS ist mehr als Unruhe und Konzentrationsschwäche: Es prägt die Art, wie Menschen über sich selbst und ihre Beziehungen denken. Jeffrey Youngs Schemata bieten hier ein wertvolles Modell, um unsichtbare Muster sichtbar zu machen. Wer die eigenen Schemata erkennt, kann verstehen, warum bestimmte Situationen so belastend sind und beginnt, Schritt für Schritt neue, heilsame Wege zu gehen.