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Tim Nik – Privatpraxis für Psycho- und Sexualtherapie (nach Heilpraktikergesetz)

Reaktualisierung und Retraumatisierung in der Traumatherapie: Ein feiner, aber entscheidender Unterschied

Die Traumatherapie ist ein sensibler Prozess, der darauf abzielt, Betroffenen zu helfen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten und in ein gesundes Leben zurückzufinden. In diesem Zusammenhang tauchen zwei zentrale Begriffe immer wieder auf: Reaktualisierung und Retraumatisierung. Diese Begriffe klingen ähnlich, beschreiben jedoch zwei sehr unterschiedliche Prozesse, die in der Therapie grundverschiedene Konsequenzen haben können.

1. Reaktualisierung: Der kontrollierte Zugang zu traumatischen Erinnerungen

Reaktualisierung beschreibt den Prozess, bei dem traumatische Erinnerungen in einer therapeutischen Sitzung bewusst wiedererlebt werden. Dieser Zugang zu den Erinnerungen geschieht jedoch kontrolliert, unter der Anleitung erfahrener Therapeut:innen, und in einem geschützten Rahmen. Ziel ist es, das Trauma in sicherer Umgebung zu verarbeiten und emotionalen Abstand zu den traumatischen Erlebnissen zu gewinnen.

Im Rahmen der Reaktualisierung kann der Betroffene unter therapeutischer Anleitung Gefühle und Körperempfindungen, die mit dem Trauma verbunden sind, neu erleben. Hierbei spielt die Kontrolle über den Prozess eine zentrale Rolle: Der Betroffene wird nicht in die Ohnmacht und Hilflosigkeit zurückgeworfen, die er möglicherweise während des traumatischen Ereignisses empfunden hat. Stattdessen lernt er, dass er heute sicher ist und in der Lage ist, sich der Erinnerung zu stellen, ohne von ihr überwältigt zu werden.

Ziele der Reaktualisierung:

  • Integration der traumatischen Erfahrung ins Bewusstsein
  • Verringerung der emotionalen Belastung durch das Trauma
  • Förderung der Selbstregulation und inneren Sicherheit

Therapeuten setzen verschiedene Techniken wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) oder Trauma-fokussierte kognitive Verhaltenstherapie ein, um die Reaktualisierung zu begleiten und das Trauma neu zu bewerten, sodass es weniger belastend ist.

2. Retraumatisierung: Wenn alte Wunden neu aufbrechen

Im Gegensatz zur Reaktualisierung ist Retraumatisierung ein ungewollter, destruktiver Prozess. Hierbei werden traumatische Erinnerungen auf eine Weise aktiviert, die den Betroffenen wieder in den Zustand der ursprünglichen traumatischen Erfahrung zurückversetzt. Die Person erlebt Gefühle von Hilflosigkeit, Angst und überwältigender Not genauso intensiv wie während des ursprünglichen Traumas.

Retraumatisierung tritt häufig dann auf, wenn der Betroffene unvorbereitet oder ohne angemessene therapeutische Begleitung mit den traumatischen Erinnerungen konfrontiert wird. Dies kann in Therapie-Situationen geschehen, die unsensibel oder schlecht angeleitet sind, aber auch durch äußere Trigger im Alltag, die den Betroffenen unkontrolliert an das Trauma erinnern.

Folgen einer Retraumatisierung:

  • Reaktives Wiedererleben von Angst, Panik und emotionalem Schmerz
  • Rückfall in frühere Traumafolgestörungen (z. B. posttraumatische Belastungsstörung)
  • Gefühle von Ohnmacht, Kontrollverlust und Hoffnungslosigkeit

Retraumatisierung kann den therapeutischen Prozess stark zurückwerfen und zu einer Verschlechterung des psychischen Zustands führen. Daher ist es von größter Bedeutung, dass Therapeut:innen die Anzeichen erkennen und durch eine sorgsame Gestaltung der Sitzungen und die Schaffung eines sicheren therapeutischen Rahmens vorbeugen.

Reaktualisierung als Chance, Retraumatisierung als Gefahr

Reaktualisierung und Retraumatisierung unterscheiden sich in ihrer Zielrichtung und in ihren Auswirkungen grundlegend. Während die Reaktualisierung eine gezielte, kontrollierte Auseinandersetzung mit traumatischen Erinnerungen darstellt, ist die Retraumatisierung ein unkontrolliertes, destruktives Wiedererleben des Traumas.

Die richtige Balance zwischen Konfrontation und Schutz kann den Unterschied machen – zwischen Heilung und erneutem Leid.

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