Demisexualität: Wenn emotionale Nähe der Schlüssel zur Anziehung ist
In einer Welt, in der sexuelle Anziehung oft als spontane, körperliche Reaktion dargestellt wird, gibt es Menschen, bei denen sie ganz anders funktioniert: Demisexuelle. Der Begriff mag noch nicht jedem geläufig sein, doch für viele ist er eine wichtige Identität – eine, die ihnen hilft, ihr Erleben von Intimität und Anziehung besser zu verstehen.
Was ist Demisexualität?
Demisexualität ist eine sexuelle Orientierung und bedeutet, dass eine Person erst dann sexuelle Anziehung empfindet, wenn sie zu jemandem eine tiefere emotionale Bindung aufgebaut hat. Das heißt nicht, dass Demisexuelle keinen Sex mögen oder grundsätzlich kein Interesse an Beziehungen haben – vielmehr entsteht sexuelles Verlangen bei ihnen nicht „auf den ersten Blick“, sondern im Laufe einer vertrauten Verbindung.
Der Begriff stammt aus dem Spektrum der Asexualität. Asexuelle Menschen empfinden keine oder kaum sexuelle Anziehung, und Demisexualität liegt quasi zwischen dem asexuellen und dem allosexuellen (also sexuell anziehenden) Erleben.
Häufige Missverständnisse
Einige Menschen verwechseln Demisexualität mit „wählerisch sein“ oder damit, einfach „nicht auf One-Night-Stands zu stehen“. Doch Demisexualität ist mehr als eine Vorliebe oder Beziehungsstil – es ist eine Orientierung. Eine demisexuelle Person kann nicht einfach auf jemanden sexuell reagieren, ohne dass eine emotionale Verbindung da ist, egal wie attraktiv diese Person äußerlich erscheint.
Außerdem bedeutet Demisexualität nicht zwangsläufig, dass es immer romantische Gefühle geben muss. Manche Demisexuelle können eine sexuelle Anziehung innerhalb enger Freundschaften empfinden, ohne verliebt zu sein. Wie bei allen Orientierungen gibt es auch hier ein Spektrum an Erlebnissen.
Warum ist Sichtbarkeit wichtig?
Viele Demisexuelle fühlen sich in ihrer Jugend oder beim Dating „anders“, weil sie nicht die gleichen Impulse erleben wie andere. Sie fragen sich vielleicht, warum sie nicht mitreden können, wenn andere über Schwärme oder sexuelle Fantasien sprechen. Ohne Begriffe wie „Demisexualität“ kann dieses Anderssein verwirrend oder sogar isolierend sein.
Mehr Sichtbarkeit bedeutet: Mehr Verständnis – sowohl für sich selbst als auch im Austausch mit anderen. Menschen können Grenzen klarer kommunizieren, Datingerfahrungen besser einordnen und sich mit Gleichgesinnten vernetzen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
In der Praxis kann Demisexualität bedeuten, dass sich Beziehungen langsam entwickeln, dass Dates eher freundschaftlich beginnen oder dass körperliche Intimität erst nach Wochen oder Monaten ein Thema wird. Für manche ist das ein natürlicher Prozess – für andere kann es herausfordernd sein, besonders in einer Kultur, die oft schnelle körperliche Nähe erwartet.
Das Wichtigste: Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Jeder Mensch erlebt Anziehung anders, und Demisexualität ist nur eine von vielen Facetten menschlicher Sexualität.
Fazit
Demisexualität ist keine Phase, keine Eigenart und auch kein Mangel – sondern eine valide, echte sexuelle Orientierung. Indem wir Begriffe wie diesen verstehen und respektieren, schaffen wir Raum für mehr Vielfalt, Offenheit und ehrliche Begegnungen.