Definitionsmacht und Verhaltensmacht in Beziehungen – Ein Balanceakt der Partnerschaft
In jeder Beziehung gibt es Machtverhältnisse – das ist unvermeidlich. Doch viele Paare sind sich dessen kaum bewusst, bis Konflikte entstehen. Zwei zentrale Konzepte, die in Beziehungen eine Rolle spielen, sind die Definitionsmacht und die Verhaltensmacht. Sie beeinflussen, wie Partner:innen miteinander umgehen, kommunizieren und Entscheidungen treffen. In meiner Arbeit als Paar- und Sexualtherapeut erlebe ich oft, wie sich diese Machtaspekte auf das Miteinander auswirken – positiv wie negativ.
Was ist Definitionsmacht?
Definitionsmacht beschreibt die Fähigkeit, die Realität innerhalb einer Beziehung zu bestimmen. Sie betrifft vor allem die Frage: Wer legt fest, was wahr ist? Das zeigt sich in vielen Situationen:
Ist es in Ordnung, dass ich mich über eine Aussage meines Partners/meiner Partnerin verletzt fühle, oder „übertreibe“ ich?
Wie definieren wir Treue? Ist ein Flirt bereits ein Vertrauensbruch?
Was bedeutet es, genug Zeit miteinander zu verbringen?
Oft hat eine Person in der Beziehung die Definitionsmacht inne und setzt die Maßstäbe für „richtig“ oder „falsch“. Das kann bewusst oder unbewusst geschehen. Problematisch wird es, wenn ein:e Partner:in seine Sichtweise als allgemeingültig betrachtet und die Gefühle oder Wahrnehmungen des anderen nicht ernst nimmt. Hier entsteht eine Dynamik, die auf Dauer Frustration und Konflikte fördert.
Was ist Verhaltensmacht?
Verhaltensmacht ist die Fähigkeit, mit dem eigenen Verhalten Einfluss auf den Partner/die Partnerin oder die Beziehung zu nehmen. Sie zeigt sich beispielsweise in folgenden Bereichen:
Wer entscheidet, wann und wie oft Nähe oder Distanz in der Beziehung herrscht?
Wird ein Wunsch oder eine Grenze des anderen respektiert – oder führt ein bestimmtes Verhalten dazu, dass der Partner/die Partnerin nachgibt?
Welche Konsequenzen folgen aus einem bestimmten Verhalten – z. B. Rückzug, Schweigen oder Streit?
Verhaltensmacht kann manipulative Formen annehmen, etwa durch emotionale Erpressung („Wenn du das tust, liebe ich dich nicht mehr“) oder durch Verweigerung („Dann spreche ich halt nicht mehr mit dir“). Aber sie kann auch konstruktiv genutzt werden – etwa indem ein Partner durch liebevolle, klare Kommunikation einen positiven Einfluss auf den anderen hat.
Der Balanceakt zwischen Macht und Gleichwertigkeit
Macht ist in Beziehungen nicht per se negativ. Es geht nicht darum, Macht vollständig zu vermeiden, sondern um einen bewussten und fairen Umgang damit. Damit ein Gleichgewicht entstehen kann, ist es wichtig:
Bewusstsein zu schaffen: Wer hat in welchen Bereichen Definitions- oder Verhaltensmacht?
Gegenseitige Perspektiven anzuerkennen: Die Realität des anderen ist genauso gültig wie die eigene.
Kommunikation auf Augenhöhe zu führen: Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen klar äußern – und die des Partners/der Partnerin ernst nehmen.
Flexibilität zu zeigen: Machtverhältnisse dürfen sich wandeln, je nach Situation und individuellen Stärken der Partner:innen.
Eine gesunde Partnerschaft zeichnet sich durch gegenseitigen Respekt und einen offenen Dialog aus. Wenn Definitions- und Verhaltensmacht fair verteilt werden, kann eine Beziehung wachsen und beide Partner:innen fühlen sich gesehen und wertgeschätzt.