The Horny Brain: Wie unser Gehirn unsere Sexualität steuert
Als Sexualtherapeut begegne ich immer wieder Menschen, die sich fragen, warum ihr sexuelles Verlangen manchmal übermächtig ist, plötzlich verschwindet oder sich in unerwartete Richtungen entwickelt. Die Antwort darauf liegt tief in unserem Gehirn.
1. Das Belohnungssystem: Dopamin und Lust
Unser sexuelles Verlangen wird maßgeblich vom Belohnungssystem des Gehirns gesteuert. Wenn wir erregt sind oder Sex haben, wird der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet. Dieses „Glückshormon“ sorgt dafür, dass wir Lust empfinden und nach mehr streben. Dopamin ist jedoch nicht nur für die Lust verantwortlich, sondern auch für Motivation und Lernen. Das erklärt, warum unser Gehirn sexuelle Erfahrungen speichert und wiederholen möchte.
2. Der Einfluss von Hormonen: Testosteron, Oxytocin & Co.
Sexuelle Erregung ist nicht nur eine Frage des Verstandes, sondern auch der Hormone. Testosteron spielt eine große Rolle beim sexuellen Verlangen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Oxytocin, auch als „Kuschelhormon“ bekannt, wird nach sexueller Intimität ausgeschüttet und fördert Bindung und Vertrauen. Serotonin hingegen kann in hohen Mengen das sexuelle Verlangen hemmen – das ist einer der Gründe, warum einige Antidepressiva die Libido beeinflussen.
3. Warum wir manchmal keine Lust haben
Sexuelle Lust ist nicht konstant. Stress, Ängste und Erschöpfung können unser Verlangen stark beeinflussen. Das liegt daran, dass unser Gehirn in solchen Momenten das Stresshormon Cortisol ausschüttet, das die Libido hemmt. Auch traumatische Erlebnisse oder negative Glaubenssätze über Sexualität können dazu führen, dass unser Gehirn Lust als Bedrohung interpretiert und unterdrückt.
4. Der Kampf zwischen Verstand und Trieb
Viele Menschen kennen das Phänomen, dass ihr kognitiver Verstand eine Sache möchte, während ihr sexuelles Verlangen etwas anderes signalisiert. Unser rationaler Teil des Gehirns – der präfrontale Cortex – kann hemmend auf unser Lustempfinden wirken. Das erklärt, warum manche Menschen Schuld- oder Schamgefühle in Bezug auf ihre sexuellen Fantasien haben oder sich selbst in ihrem Verlangen blockieren.
5. Wie wir unser Gehirn nutzen können, um ein erfüllteres Sexualleben zu haben
Die gute Nachricht: Wir können unser Gehirn trainieren, um eine gesunde und erfüllende Sexualität zu erleben. Achtsamkeitstechniken, Meditation und bewusstes Erkunden der eigenen Lust helfen dabei, unser Gehirn neu zu programmieren. Wer seine sexuellen Muster versteht, kann bewusster mit ihnen umgehen und ein ausgeglicheneres Verhältnis zu seiner Sexualität entwickeln.
Unser „horny brain“ ist ein faszinierendes Zusammenspiel aus Biologie, Psychologie und Erfahrungen. Wenn wir lernen, es zu verstehen, können wir unsere Sexualität bewusster gestalten und uns selbst mehr Raum für Lust und Intimität geben.