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Tim Nik – Privatpraxis für Psycho- und Sexualtherapie (nach Heilpraktikergesetz)

Bi-Negativität: Ablehnung und Unsichtbarkeit von Bisexualität in Gesellschaft und queerer Community

In meiner Praxis als Sexualtherapeut begegnen mir immer wieder Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung mit Ablehnung, Vorurteilen oder Selbstzweifeln kämpfen. Eine Gruppe, die besonders oft mit Vorurteilen konfrontiert ist – und das nicht nur von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft, sondern auch innerhalb der queeren Community – sind bisexuelle Menschen. Bi-Negativität ist ein Begriff, der sich auf diese internalisierte und externalisierte Ablehnung bezieht. 

Die heteronormative Perspektive: Zwischen Ignoranz und Ablehnung

Bisexualität passt nicht in die klaren, binären Kategorien, die unsere Gesellschaft gerne verwendet, um sexuelle Orientierung zu verstehen: heterosexuell oder homosexuell. Viele heterosexuelle Menschen begegnen Bisexualität mit Misstrauen oder Unverständnis. Oftmals wird sie entweder als Phase abgetan – ein vermeintlicher Übergang, bevor man sich „endgültig“ als homosexuell outet – oder als „experimentell“ und damit nicht ernstzunehmend eingeordnet.

Dazu kommt ein weiteres Problem: die Stereotypisierung bisexueller Menschen als hypersexuell oder untreu. Diese Annahmen beruhen auf der Idee, dass bisexuelle Menschen, weil sie sich zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlen, automatisch unfähig seien, monogame oder langfristige Beziehungen einzugehen. In der Praxis führt das oft zu sozialer Isolation oder Schwierigkeiten in Beziehungen, weil bisexuelle Menschen nicht als „verlässlich“ oder „authentisch“ wahrgenommen werden.

Bi-Negativität in der queeren Community: Ein unerwarteter Widerspruch

Man könnte erwarten, dass die queere Community – die selbst häufig mit Diskriminierung zu kämpfen hat – ein sicherer Hafen für bisexuelle Menschen ist. Doch auch hier sind Vorurteile allgegenwärtig.

In meiner therapeutischen Arbeit berichten Klient:innen immer wieder von einer Art „Gatekeeping“ innerhalb der LGBTQIA+-Community. Bisexuelle Menschen, die in hetero-erscheinenden Beziehungen leben, werden manchmal als „nicht queer genug“ angesehen. Auch hier wird Bisexualität oft als Übergangsphase oder als Feigheit interpretiert: Man habe nicht den Mut, sich „wirklich“ als homosexuell zu outen.

Ein weiteres Problem ist die Unsichtbarkeit. Die queere Community wird oft als Zusammenschluss von Schwulen und Lesben wahrgenommen, während Bisexualität und andere sexuelle Orientierungen an den Rand gedrängt werden. Bisexuelle Menschen finden sich oft in der paradoxen Situation, weder von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft noch von der queeren Community vollständig akzeptiert zu werden.

Die psychologischen Auswirkungen von Bi-Negativität

Die doppelte Ablehnung – sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch innerhalb der eigenen Community – hat erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Studien zeigen, dass bisexuelle Menschen ein höheres Risiko für Depressionen, Angststörungen und Suizidgedanken haben als heterosexuelle oder homosexuelle Menschen.

Ein zentraler Aspekt ist die Internalisation dieser negativen Botschaften. Bisexuelle Menschen übernehmen häufig die Stereotype und Vorurteile, die ihnen entgegengebracht werden. Dies führt zu Selbstzweifeln und Schamgefühlen, die sich negativ auf das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, authentische Beziehungen zu führen, auswirken können.

Wie können wir Bi-Negativität abbauen?

1. Sichtbarkeit schaffen:
Ein erster Schritt ist, Bisexualität sichtbarer zu machen – in der Öffentlichkeit, in der Bildung und auch in der queeren Community. Filme, Serien und Bücher, die bisexuelle Charaktere zeigen, sind hier genauso wichtig wie Vorbilder, die offen über ihre Bisexualität sprechen.

2. Aufklärung und Sensibilisierung:
Viele Vorurteile gegenüber bisexuellen Menschen entstehen aus Unwissenheit. Aufklärung über die Vielfalt sexueller Orientierungen – sowohl in Schulen als auch in der Erwachsenenbildung – kann dazu beitragen, stereotype Vorstellungen abzubauen.

3. Unterstützung bieten:
In der queeren Community ist es wichtig, bisexuellen Menschen den gleichen Raum und die gleiche Anerkennung zu geben wie anderen sexuellen Orientierungen. Das bedeutet auch, Vorurteile innerhalb der Community zu reflektieren und aktiv dagegen zu arbeiten.

4. Selbstakzeptanz fördern:
Ein zentraler Aspekt meiner Arbeit als Sexualtherapeut ist es, bisexuellen Menschen zu helfen, sich selbst anzunehmen – jenseits der Erwartungen oder Vorurteile von außen. Dies bedeutet, eine positive Identität aufzubauen, die nicht auf dem basiert, was andere über sie denken.

Fazit

Bi-Negativität ist ein komplexes, aber häufig übersehenes Problem. Sie zeigt, wie tief Vorurteile und stereotype Vorstellungen in unserer Gesellschaft verwurzelt sind – und wie selbst die queere Community nicht frei von Diskriminierung ist. Um echte Gleichberechtigung und Akzeptanz zu erreichen, müssen wir diese Vorurteile offen ansprechen und aktiv dagegen vorgehen.

Bisexualität ist keine Phase, kein Kompromiss und kein Mythos. Sie ist eine valide sexuelle Orientierung, die Anerkennung und Respekt verdient – von allen Seiten.

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